Epilog

 

 

Das letzte Bekenntnis Albert Speers

 

 

 

 

'Du warst Alberts Freund in seinen Jahren in Spandau, sein einziger und bester,' (! ÜBERSETZT !) schrieb Margret Speer am 29. September 1981 in ihrer unbefleckten, wohlerzogenen Mädchenschrift an Dr. Rudolf Wolters - vier Wochen nach dem Tod ihres Mannes.

 

 

'Diese enge Verbundenheit half ihm, diese Jahre zu überstehen,' fuhr sie fort. 'Wir alle wissen, was Du für uns getan hast. Ich möchte Dir gerne sagen, auch im Namen unserer Kinder, die mich gebeten haben, dies zu tun, wie schmerzlich es für uns ist, daß diese Freundschaft auseinandergegangen ist. Für mich bleibt da die Erinnerung an Dich als unser Helfer bei all den Notfällen und Sorgen in einundzwanzig Jahren. Es ist auch Dir zu verdanken, daß die Kinder sich ohne Vater zu anständigen und tüchtigen Menschen entwickelt haben,' (! ÜBERSETZT !)

 

 

!! ACHTUNG !!: BEI VAN DER VAT NOCHMAL NACHFRAGEN, OB SIE (FRAU SPEER) WOLTERS DUZT ODER SIEZT !! (VAN DER VAT WOLLTE BIS MONTAG NICHT MEHR GESTÖRT WERDEN - TEL-NR.: 00441 - 81 - 892 68 70)

 

 

schloß sie ihren Brief dankbar ab. Sie wußte, daß dies die Gefühle waren, die ihr jüngst verschiedener Mann seinem langjährigen loyalen Freund gegenüber gehegt aber niemals ausgesprochen hatte. Der altersschwache Dr. Wolters, der keine Zeit verloren hatte, ihnen am 2. September eine großmütige, von Herzen kommende, Kondolenz sowie sein Bedauern ob der verlorenen Freundschaft zuzusenden, besaß auch jedes Recht, diese Gefühle als wohl verdient zu erachten.

 

 

Der Sklavenstaat (2x KURSIV) erschien nur wenige Wochen vor Speers Tod und die Rezensionen hielten noch lange an - fast alles eindeutige Verrisse. Die Kritik verschmolz mit den Nachrufen, die spürbar weniger barsch/scharf ausfielen und sämtlich dahin tendierten, Speers sorgfältig kultiviertes Selbstbild zu akzeptieren, wonach er ein unpolitischer Nazi-Funktionär war, der seine Schuld durch Geständnisse begleichen wollte. Heinz Höhne, ein prominenter Spiegel (KURSIV) -Journalist und bedeutender Geschichtsexperte für das Dritte Reich, heckte am 7. September scharfsinnigerweise eine ideale und zugleich neutrale Formulierung aus: 'Seine Selbstbeschuldigungen brachten ihm den Ruf ein, Hitlers reumütiger Paladin zu sein.' (! ÜBERSETZT !)

 

 

 

'Wenn Hitler überhaupt Freunde gehabt hätte, wäre ich bestimmt einer seiner engen Freunde gewesen.' lautete Speers treffende Zusammenfassung seiner anderen großen Bindung, der einzigen Beziehung, in der er die zweite Geige spielte, so wie Wolters bei ihn. Das wahre Leben von Albert Speer läßt sich somit auf zwei außergewöhnliche Freundschaften reduzieren - und auf jenen Schwindel, der beide Freundschaften zerstörte.

 

 

Speers Angewohnheit, die Historie in seinem Interesse umzuschreiben ist keineswegs ein Einzelfall. Ein anonymer Beobachter merkte einst zu Churchills Geschichte des ersten Weltkriegs an: 'Winston hat ein gewaltiges Buch über sich selbst geschrieben und ihm den Titel The World Crisis (3x KURSIV) gegeben.' Eine Mischung aus romantischer Veranlagung und Arroganz führte dazu, daß Speer von der ersten Seite seiner Erinnerungen (KURSIV) an die Bestandteile seiner Lebensgeschichte 'schönfärbte/-sortierte' (FINETUNE): Die Geburt nach hinten auf den Höhepunkt/Mittag verlegt, das Unwetter vorverlegt, das Glockengeläute der ungebauten Kirche. Er hatte nicht mit der Gründlichkeit eines Matthias Schmidt gerechnet, als er diese eigentlich harmlosen Notlügen auftischte; doch einmal enthüllt, muß man sich als Leser fragen, was noch alles verändert wurde. Die Geschichte seiner Kindheit ist spärlich aber trostlos. Sie weist Bruchstücke von Zuneigung auf, die ihm von Seiten der niederen Stände entgegengebracht wurde. Und handelt von Margrets Familie, die daran gescheitert war, einen indifferenten Vater, eine gefühlskalte Mutter und zwei tyrannische Brüder zu kompensieren. Das Ergebnis war ein kalkulierender introvertierter Mensch, der bald gelernt hatte, seine beachtlichen manipulativen Fähigkeiten so einzusetzen, daß er seinen Weg beschreiten konnte, ohne sich emotional zu entblößen / ohne sich emotionale Blößen zu geben.

 

 

Speer war zwar sehr wohl in der Lage, sich zurückzulehnen und zu entspannen, gleichzeitig jedoch war er gehemmt und obsessiv, gleichgültig den Bedürfnissen Untergebener und Angehöriger gegenüber und fähig zur Boshaftigkeit, zur Rachsucht und zu grausamen Streichen. Während er vermutlich anfing, seinen Vater zu lieben, als er Karriere machte und der alte Mann aufgehört hatte, eine Bedrohung für ihn darzustellen, wurde er für seine eigenen Kinder der (KURSIV) typische Sonntagsvater; und zwar nicht nur im Gefängnis, als er gar keine andere Wahl mehr hatte, sondern schon ihre ganzen ersten Kindheitsjahre hindurch, als er Zuflucht in seiner Arbeit suchte und es vorzog, die Weihnachtsfeste mit den Stachanowitschs (? Stakhanovites ?) der Organisation Todt im Schnee zu verbringen, anstatt mit der eigenen Familie in seiner leidenschaftslosen Privatspäre.

 

 

Wennimmer sich die Möglichkeit bot, kümmerte sich Speer sehr intensiv um seine persönliche Umgebung, hatte hingegen mit Panikanfällen und ernstzunehmenden psychosomatischen Kreislaufattacken zu kämpfen, sobald er sich von Kräften bedroht fühlte, die zu mächtig waren, als daß er sie hätte kontrollieren können. Paradoxerweise ging er gewaltige Risiken ein, sei es, daß er mit dem Auto raste, sei es, daß er Hitler voreilige Versprechungen machte, im nichtfamiliären Bereich ungeheure Aufgaben übernahm oder sich mit Leuten wie Göring, Himmler, Bormann und Hitler selbst maß.

 

 

Als ein Pragmatiker/Pragmatist und egozentrischer Opportunist, war Speers Interesse an Machtpolitik und innerparteilichen Auseinandersetzungen (eine Überlebensfrage) genauso groß, wie sein Desinteresse an Ideologie. Aber er war weder 'unpolitisch' noch ein 'Technokrat'; und er war auch nicht 'amoralisch' sondern vielmehr unmoralisch, indem er bei seinem Handel mit den Juden die Moral nicht mißachtete (IGNORE), sondern verpöhnte (FLOUT). Streng genommen war er alles andere als ein Technokrat; er besaß kein Fachwissen, abgesehen von einem Berufszweig, den er anstelle der Mathematik auf Geheiß seines Vaters eingeschlagen/gewählt hatte. Sein architektonisches Talent wie auch sein Werk war bestenfalls belanglos und schlechtestenfalls monströs - auch in seiner Eigenschaft als Hitlers Architekt; seine sinnvollste Tätigkeit war die des Bühnenbildners in Nürnberg. Er vermochte aus dem Spiel der Politik durchaus Ernst werden zu lassen, wenn er es mußte: Er drohte Leuten mit der SS und dem Konzentrationslager, er ruinierte den Berliner Oberbürgermeister Lippert; er versuchte, dasselbe mit seinem Architektur-Rivalen Hermann Giesler zu tun, und er manipulierte selbst Hitler, indem er ihn mit Experten 'bombardierte' und ihn vor faits accomplis (2x KURSIV) stellte.

 

 

Schließlich übernahm er von dem brillianten Ingenieur und tatsächlichen Technokraten, Fritz Todt, ein Ministerium mit immensen Aufgabenbereichen. Für manche von denen wäre ein eigener Minister nötig gewesen, doch Albert Speer ließ sie alle seelenruhig brach liegen. Speers wirkliches Talent bestand in der Organisation und Improvisation. Trotz ständiger Meinungsänderungen und ähnlich störender Eingriffe von seiten Hitlers und dessen Gefolgsleuten, vollbrachte Speer wahre Wunder. Er kam mit dem 'großen Gemälde' ebenso gut zurecht wie mit dessen kleinen Einzelheiten, meisterte und rekapitulierte die kompliziertesten und seltsamsten Dinge ohne jede erkennbare Mühe. Er besaß großes Talent, erstklassige Untergebene um sich zu scharen, die er zu unermeßlichem Fleiß und tiefster Ergebenheit animierte; mit viel Erfolg übertrug er ihnen enorme Verantwortungen und ließ ihnen völlig freie Hand, auch wenn er ihnen privat nicht über den Weg traute. Und er zögerte nie, auf die anerkannten Ideen anderer, wie etwa Todt, aufzubauen.

 

 

Speer gewann nicht nur das Vertrauen eines so abgrundtief zynischen Machers/Funktionärs/Unternehmers (OPERATOR) wie Goebbels, sondern auch das konservativer Berufssoldaten wie Milch, Dönitz und Guderian sowie das führender Industrieller, vor allem Rohland, Porsche und Messerschmidt. Dies alles ergibt eine bemerkenswerte Zusammenstellung administrativer und kommunikativer Begabungen, die sich nur selten in einer einzelnen Person vereinigen. Als Architekt, der zu einem Stadtplaner von kolossalen Maßstäben/Ausmaßen avancierte, der wiederum zu einem Hochgeschwindigkeits-Meisterbauherrn solch riesiger und extrem schwieriger Projekte wie der Reichskanzlei avancierte, war Speer auf das, was ihm auf dem Gipfel seiner Karriere angetragen wurde, nicht ganz unvorbereitet.

 

 

Zu jener Zeit, als Speer die Verantwortung für die Kriegswirtschaft übernahm, kämpfte Deutschland gerade um sein Leben. Und als Krisenmanager und oberster 'Generalist/Generalisierer' ging Speer völlig in seinem Element auf. Er war ein Problemlöser par excellence. Aber selbst er vermochte Hitlers mit dem Blitzkrieg zusammenhängenden zeitlichen Rückstand nicht mehr aufzuholen/wett zu machen. Er vollbrachte zu wenig, zu spät, um noch etwas zu bewirken, auch wenn er die Produktion so spektakulär ankurbelte (die sich allerdings auf einem sehr geringen Niveau befunden hatte). Für einiges war er genauso verantwortlich wie Hitler selbst - für einige höchst verlustreiche Verschwendungen knapper Resourcen, zum Beispiel durch das V2-Projekt, ebenso wie für die Qualen von Millionen von Menschen, die gezwungen wurden, für ihn zu arbeiten - und für die Zehntausenden von Juden, die er persönlich auf die Straßen Berlins hatte werfen lassen - für sie die erste Etappe einer Reise, die gemeinhin im Mord endete.

 

 

Sein bedeutendster Akt der Auflehnung - als er angefangen hatte, seinen, dem Untergang geweihten, Mentor zu hintergehen - bestand in der großangelegten Subversion gegen die Verbrannte-Erde-Politik; Die 'Mord-Konspiration' hingegen kann allenfalls noch als lautes Denken bezeichnet werden, das erst erfolgte, als viel zu spät klar geworden war, daß alles verloren ist. Nichtsdestotrotz war er stolz darauf, was er für Hitler vollbracht hatte, daß er ihm die Möglichkeit geboten hatte, ein weiteres Jahr Krieg zu führen oder womöglich sogar zwei. Und gegen Ende seines Lebens hat er dies praktisch auch nochmal bekräftigt, sei es im Rahmen des langen Playboy (KURSIV) -Interviews, sei es als er in seinem letzten Jahr betrunken bei Frau Sereny anrief, wie sie es am Schluß ihres Buches beschreibt.

 

 

Doch der 'Gas im Bunker'-Plan hatte ausgereicht, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen - damals, als er als Gefangener nach Nürnberg zurückgekehrt war, auf die Bühne seiner höchst spektakulären Inszenierungen bei Versammlungen einer anderen Art. Wenn Göring ihm, als er das mit dem Gas im Bunker gehört hatte, das Wort 'Verrat' zuraunte, so war dies für Albert Speer ein wahrer Segen, denn der Chefankläger Jackson hatte sich sichtlich davon beeindrucken lassen. Es verschärfte auch den Kontrast zwischen dem kriminellen Element auf der Anklagebank und jener bescheidenen, gebildet anmutenden, aristokratischen Persönlichkeit Speers. Ebenso imponierte seine wagemutige Bereitschaft, sich der Doktrin kollektiver Verantwortung für ein unmenschliches Regime zu beugen, das dafür bekannt war, von dem Willen eines einzelnen Mannes beherrscht worden zu sein. Die Tatsache übersehend, daß sein Geständnis unter Druck erfolgt war, ließen sich genügend Richter von Speers selbstbelastenden Selbstbezichtigungen so weit beeindrucken, daß sie sich mit seiner Zugabe der Mitverantwortung zufrieden gaben/abfanden - wobei er die Verübung und selbst die Kenntnis bestimmter Verbrechen leugnete. Dafür bewahrten sie ihn vor jenem Henker, dem zur Waltung seines Amtes als allererstes Speers sklaventreibender Kollege, Fritz Sauckel, vorgeführt wurde. Lediglich die Russen, denen gegenüber Speer eine Arroganz an den Tag gelegt hatte, die beinahe so riskant war wie seine nostra culpa (2x KURSIV) -Taktik, kauften ihm seine Selbstbewertung nicht ab.

 

 

Nun kann man einem wegen eines Schwer-/Kapitalverbrechens angeklagten Gefangenen wohl schwerlich vorwerfen, daß er versucht, das beste für sich herauszuschlagen, vor allem dann nicht, wenn die Beweislast so erdrückend ist. Daß ein Schuldiger einen Meineid schwört, damit muß man nicht nur rechnen, er ist sogar vorprogrammiert; und genauso unvermeidlich erzählt man Lügen, um sein Strafmaß zu mildern. Am wenigsten wird man von einem Angeklagten erwarten dürfen, daß er Verbrechen zugibt, die ihm nicht einmal vorgeworfen wurden. Beschuldigt und verurteilt wurde Speer wegen des Einsatzes von Zwangs- und Sklavenarbeit. Er wurde nicht wegen Vertreibung von Berliner Juden aus ihrer Heimat angeklagt, denn der Anklagevertretung lag Wolters Chronik nicht vor und sie wußte auch gar nichts von ihrer Existenz. Speer hatte nämlich keinerlei Lust verspürt, sie darüber aufzuklären - erstrecht nicht, nach jenen schockierenden Filmen über die Todeslager, die man bei den Verhandlungen im Gerichtssaal gezeigt hatte: Albert Speer war weder ein Selbstmörder noch ein Heiliger.

 

 

Insofern lag auch überhaupt kein Grund vor, überrascht zu sein, als Speer, nachdem er der Exekution zwar entflohen war, aber zwanzig Jahre lang gesessen hatte - genug um den Geist der meisten Menschen zu brechen -, dreist/frech einräumte, daß man, erstens, die kollektive Verantwortung, die er in Nürnberg zugegeben hatte, auch als Mit-'Schuld' auffassen könne, und daß er, zweitens, viel mehr von dem gewußt habe, 'was mit den Juden geschah', als er vor Gericht eingestanden habe. Aber machte er das Land nach seiner Entlassung nicht stutzen/stutzig, indem er ad nauseam (2x KURSIV) Bekenntnisse ablegte?

 

 

Dieses Buch legt wie kein anderes detailliert die Tatsache dar, daß Albert Speer kein zerstreuter, blickabwendender, amoralischer Nicht-Zuschauer des nazistischen Antisemitismus war, sondern ein aktiver Teilnehmer an der Ruinierung der Leben von 75.000 Berliner Juden, indem er sie vertrieb. Desweiteren trachtete er, ganz der Opportunist, danach, Wolters' Vorsichtsmaßnahen zu mißbrauchen, die darin bestanden, seine Amts-Chronik aus Kriegszeiten zu frisieren, und die bereinigte Fassung an das Deutsche Bundesarchiv zu schicken. Als er erwischt wurde, versuchte er, die Angelegenheit durch Betrug wieder geradezubiegen; und als ihm die Tragweite der Schmidt-Wolters-Verbindung bewußt wurde, drohte er sowohl dem Experten als auch demjenigen Mann, der seinen 'unentgeltlichen Freundesauftrag' so loyal ausgeführt hatte, mit einem Gerichtsverfahren.

 

 

Die Vertreibung der Juden stellt Speer nicht ans Ruder des SS-Holocaust oder gar in den Maschinenraum. Doch Albert Speer war im Erste-Klasse-Salon und trieb die Zwischendeckpassagiere hinaus in den sich zusammenbrauenden Sturm. Und als ihr zukünftiges Schicksal bei Kaffee und Kuchen bekakelt wurde, hielt Speer sich in der Kapitänskajüte auf - seine Erinnerungen (KURSIV) leugnen dies ab, doch Goebbels Tagebücher bestätigen es. Alle 'Reumütigkeit' in dieser Welt vermag die Heuchelei von Speers Anspruch auf einen Anteil an / ein Anrecht auf der moralischen Gunst (A SHARE OF THE MORAL HIGH GROUND - "HIGH GROUND" = STRATEGISCH GÜNSTIGE ANHÖHE/ERHEBUNG) nicht aufzuwiegen, denn er erhebt diesen Anspruch auf der Grundlage eines 'Bekenntnisses', mit dessen Hilfe er sein wahres Verbrechen das ganze Leben hindurch verschleierte - und zwar in Gestalt einer Unterlassungslüge.

 

 

Natürlich legte er Gewissensbisse an den Tag. Aber Gewissensbisse, das Bedauern vergangener Handlungen, sind keine Synonyme für Schuldbewußtsein und echtes Bereuen; keine Gefühle, die sich aus dem Wissen persönlicher Schuld und aus dem Wunsch zur Wiedergutmachung ableiten. Es kann keine Reue ohne Gewissensbisse geben, aber es gibt mit Sicherheit Gewissensbisse ohne Reue. Jeder Mensch, der Fehler und Unterlassungen begangen hat, die ihm zwanzig Jahre Gefängnis einbrachten, wünschte er hätte anders gehandelt. Wenn Speer überhaupt etwas leid tat, dann er sich selbst.

 

 

Wie dem auch sei, zur Erteilung einer Absolution im christlichen Sinne bedarf es eines vollen Geständnisses, eines echten Schuldbewußtseins und einer Wiedergutmachung durch Buße. Hinsichtlich der historischen Beweise, die hier erbracht wurden, erfüllte Speer lediglich die letzte der drei Pflichten. In seiner im späteren Leben frei gewählten Eigenschaft des öffentlichen Büßers Nummer eins, sagte er nicht die Wahrheit, jedenfalls nicht die ganze, und insofern hat er auch nicht gebüßt, denn er war dazu gar nicht im Stande. Albert Speer war in Wirklichkeit, wenn er reiflich darüber nachdachte, der Ansicht, daß er in seinem Leben alles so ziemlich richtig gemacht hatte. Für die Absolution der Geschichte ist er von daher nicht geeignet.

 

 

 

Sollten diesbezüglich noch irgendwelche Zweifel bestehen, so gibt es eine bis dato noch unveröffentlichte Bekenntnis Speers, die ausreichen dürfte, diese Zweifel zu zerstreuen. Speer legte sie privatim ab, fünf Jahre nach seiner Freilassung aus Spandau, und zwar Dr. Wolters, seinem ältesten Freund, gegenüber, der sich in eine Nemesis verwandelte, eine Nemesis gegen Speers unverdienten Ruf als ein bußfertiger Nazi, der zur exklusiven Geschichtsquelle (stilisiert) wurde. Dies ist durch einen langen Brief belegt, den Wolters am 21. Mai 1971 dem alten Feind Speers, dem Architekten Hermann Giesler, schrieb, und man findet ihn in Akte Nummer vierundvierzig des Wolters-Nachlasses in Koblenz.

 

 

Der Brief bezieht sich auf Speers Erinnerungen (KURSIV): Jenes Buch zeige, so Wolters, wieder einmal nach seiner damaligen Lieblingsphrase greifend, daß der Autor kein echter Nazi gewesen sei, sondern 'ein Mensch, für den der Besitz von Geld und Geltung (3x KURSIV) entscheidend war'. Außenstehende mögen die Zugeständnisse sowohl seiner Verantwortung als auch seines Fehlers (nicht bemerkt zu haben, was vor sich ging) vielleicht entwaffnend finden, doch Wolters erklärte weiter: 'Er selbst nannte mir gegenüber seine Tricks.'

 

 

Albert Speer schaffte es, zu verhindern, daß sein persönliches Kriegsverbrechen zu Lebzeiten ans Licht kam, und er versuchte mit allen Mitteln zu verhindern, daß dessen unausweichliche Enthüllung überhaupt jemals stattfinde. Seinen persönlichen Anteil an der kollektiven Verantwortung für die nazistischen Verbrechen gab Speer zu. Er bekräftigte den Einwand seines Freundes Wolters, indem er akzeptierte, daß diese Verantwortung in der Tat nicht von Schuld zu trennen sei. Er räumte schließlich ein, durchaus mehr vom Holocaust gewußt zu haben, als er in Nürnberg hatte durchblicken lassen. Er hängte seine Gewissensbisse bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit an die große Glocke.

 

 

Bis zu seinem Tod wußte nur Wolters (und seine loyale Assistentin Marion Riesser), was Speer wirklich verheimlichte, und allein Wolters gegenüber bekannte er - im Rahmen seiner persönlichen Verteidigung gegen die Vorwürfe seines ältesten Freundes -, daß das andauernde Bekennen von Schuld sowie die ewige Reue-Litanei lediglich vorgetäuscht seien:

 

 

Er selbst bezeichnete sie als seine 'Tricks' - und das sagte er mir ins Gesicht.

 

Anmerkungen und Bibliographie