Sachbuch-Lektorat
A. Aksjonov: Sergej
Eisenstein. Ein Porträt des Künstlers. Verlegt von: Union der
Kinematografen der UdSSR. 1991. Ca. 200 S. zahlreiche s/w-Illustrationen
Kurzgutachten von Frank Jankowski für: Dornier Medienholding
Aus dem Nachwort zitiert (grob übersetzt):
Wie so viele Werke unserer Kultur, erreicht dieses Buch - das erste
in der Geschichte der Monografien über Sergej Michajlovitsch Eisenstein
- seinen Leser mit großer Verspätung [von über einem halben
Jahrhundert]. [...]
Der unmittelbare Grund für das Verbot des Buches war ganz einfach
folgender: Seine hauptsächliche und einzige Figur, Eisenstein, war
bei der Staatsgewalt einige Male in Ungnade gefallen. [...]
Ivan Alexandrovitsch Aksjonov (1884-1935) war von seiner Persönlichkeit
her zweifellos außergewöhnlich und völlig charakteristisch
für die russische sozial-kulturelle Situation des ersten Drittels
des 20. Jh. Ein Offizier von adliger Herkunft [...]
Aksjonov schrieb 1914
als erster (in der Welt?) ein Buch über Picasso, beschäftigte
sich anschließend mit der Mathematik und mit Einsteins Theorien,
war Aktivist der Linken Front der Künste, arbeitete als
Übersetzer, Verleger und Redakteur, war Vorsitzender der Moskauer
Künstlervereinigung und nicht zuletzt auch Dozent sowie Rektor der
Staatlichen Regimeister-Hochschule, wo er Eisenstein persönlich (!)
kennenlernte.
Sein hier vorliegendes
Buch ist mit Sicherheit ein unverzichtbares Werk für all diejenigen,
die sich mehr oder weniger professionell mit den Anfängen der Filmgeschichte
bzw. Filmtheorie oder mit der russischen darstellenden Kunst beschäftigen.
Es ist kein Werk für Einsteiger der oben gen. Disziplinen, und zwar
aus dem einfachen Grunde, weil sich Aksjonov eines ausgeprägt eigenwilligen
Duktus' bedient - einer z.T. komplizierten, zum überwiegenden Teil
aber saloppen, zuweilen gar ironisch-zynischen Sprache, die allerdings
den Vorteil hat, unterhaltsam zu sein.
Sein Dokumentationsstil setzt Vorkenntnisse voraus, die zwischen eigener
Meinung bzw. Kommentaren des Autors und Zitaten (etwa Eisensteins) bzw.
tatsächlichen Fakten zu unterscheiden vermögen. Diese (notwendige)
Differenzierung bleibt Aksjonov oftmals schuldig. Eine entsprechende Redaktion
der deutschen Übersetzung könnte hier jedoch sicher für
eine Verbesserung sorgen. Zur beispielhaften Erläuterung zitiere
ich aus dem Kapitel Das Theater (letzter Absatz, S. 44); es
geht um den Bruch zwischen Eisenstein und seinem Lehrer Meierhold im Theater
des Proletenkults:
Das Gespräch endete auf der Treppe von Meierholds Theater.
(Tränen kullerten aus den Augen Eisensteins auf die Marmorstufen.
Ob sie in der Lage waren, sich durch den Stein zu brennen, weiß
ich nicht. Das Gebäude ist nun abgerissen und eine Überprüfung
nicht mehr möglich. Nehmen wir deshalb also an, daß sie es
konnten.)
Aufschlußreich erscheint mir vor allem das Kapitel Der Umschwung/die
Wende und seine Theorie, wo Aksjonov die Eisensteinsche Grammatik
der Kinosprache in 20 Paragraphen dokumentiert und kommentiert (S.
59 - 80):
1. Das grundlegende Element der Sprache ist das Phonem. [...] In
der Kinosprache ist das grundlegende Element jedes räumliche Symbol
mit eindeutig-einfachem Charakter: eine Linie oder ein Punkt/Fleck.
2. Die Verbindung eines Punktes und einer Linie oder mehrerer vergleichbarer
Elemente bilden eine Kinosilbe...
Diese Grammatik, die sich über filmdramturgische Gesetzmäßigkeiten
bis hin zu komplizierten Bild- und Ton-Schnittechniken erstreckt, war
mir selbst (der ich mich noch nicht explizit mit Eisenstein beschäftigt
hatte) bislang unbekannt; und ich bin der Meinung, daß sie zur Pflichtlektüre
eines jeden Theater-/Filmwissenschaftsstudenten erhoben werden sollte.
Der Untertitel des Buches ist unzweckmäßig formuliert; er sollte
den didaktischen Nutzwert anreißen, z.B. Von der Theaterregie
zur Grammatik der Filmsprache
Ich könnte mir
vorstellen, daß man bei ansprechender Aufmachung sowie üblicher
Marketingstrategie ca. 1000 Exemplare dieses Buches für einen Preis
um die DM 35,- im deutschsprachigen Raum absetzen kann.
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